Der Mensch war schon immer fasziniert von Donner, Blitz und Feuer, die Waffen der Götter. Also versuchte er, diese Waffen für sich nutzbar zu machen und nach Belieben einzusetzen. Das gezähmte Feuer verbreitete sich sehr schnell auf der ganzen Erde. Verschiedenste Brennmaterialien wurden entdeckt: Holz, Kohle, Öl und andere.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass auch die brandbeschleunigende Wirkung einiger Substanzen (Nitrate) bald ins Auge fielen. So entwickelten sich daraus die ersten Brandmischungen. Die richtige Zusammensetzung konnte noch nicht berechnet werden, da dazu die chemischen Kenntnisse fehlten. Aber durch ausgedehnte Versuchsreihen kam man den optimalen Mischungsverhältnissen auf die Spur.

Nach und nach wurden die flüssigen Bestandteile durch Feststoffe ersetzt und am Ende stand das Schwarzpulver. Dieses wurde zunächst für Feuerwerke eingesetzt. Feuerwerk fasziniert Groß und Klein. Es ist hell, bunt und schön laut. Es dauerte nicht lange und die treibende Wirkung der sich ausdehnenden Gase wurde entdeckt. Diese Entdeckung mündete in die Nächste: Gebündeltes Abgas kann einen Festkörper beschleunigen, was Musketen und Kanonen hervorbrachte. Verdämmtes Schwarzpulver kann dazu verwendet werden um Gestein, Salzstöcke oder Menschen zu zerkleinern. Auf all diesen Gebieten hat man reichlich Gebrauch vom Schwarzpulver gemacht.

600 Jahre lang war Schwarzpulver das einzige Sprengmittel, bis 1832 Henri Braconnot das Xyloidin entdeckte, eine nitrierte Form von Cellulose. Hier kann man noch von einer Zufallsentdeckung sprechen. Nachfolgende Chemiker wie Schönbein oder Sobrero suchten schon nach ganz bestimmten Stoffen, die sich gut nitrieren lassen konnten. Schönbein entdeckte die Schießbaumwolle (Cellulosenitrat) und Sobrero das Nitroglycerin (Glycerintrinitrat). Ab diesem Zeitpunkt kann man von einer gezielten Suche nach Sprengstoffen sprechen.

Es gab aber auch Substanzen, die schon bekannt waren und sich erst relativ spät als Sprengstoff entpuppten, wie die Pikrinsäure oder Hexogen. Alfred Nobel entwickelte den Initialzünder 1863, der den Sprengstoff zum gewünschten Zeitpunkt zuverlässig zündete. Eine weitere Erfindung Nobels revolutionierte den Straßen- und Eisenbahnbau, das Dynamit. Aber auch andere Großbauprojekte konnten erst durch Verwendung von Dynamit realisiert werden, wie der Gotthard-Tunnel und der Panama-Kanal. Das Dynamit war Segen und Fluch zugleich. Die Anzahl der mit Sprengstoff verübten Attentate stieg sprunghaft an. Das war die Zeit der sogenannten Dynamitarden. 

Abb. 2 - Verwundeter SoldatDie Pikrinsäure wurde ab 1866 in der Militärtechnik verwendet. Durch die höhere Sprengkraft waren größere Opferzahlen zu beklagen als mit Schwarzpulver, was sich an den gefallenen Soldaten im 1. Weltkrieg widerspiegelt. Die Schwere der Verletzungen, die die Soldaten davontrugen, überstieg die Vorstellungskraft der Menschen. Die rauchlosen Pulversorten revolutionierten die Waffentechnik. Maschinengewehre mit hohen Schussraten waren die Folge, ein weiterer Grund für die vielen Toten des 1. Weltkriegs. Der Krieg wurde durch die Sprengstoffe beziehungsweise Treibladungspulver einfacher. Man musste dem Gegner nicht mehr zu nahe kommen, um ihn zu töten, die Tötungshemmschwelle war damit verringert.

Abb. 3 - TNT-GußObwohl die Giftigkeit vieler Sprengstoffe bekannt war, wurde auf den Arbeitsschutz der Arbeiter bei der Herstellung fast vollständig verzichtet. Die Arbeiter und Arbeiterinnen litten unter starken Kopfschmerzen, Krebsgeschwüren, Atemnot, ständig verfärbter Haut, Ekzemen, Geschwülsten, Lungenödemen etc. Wenn Sie Abb. 3 betrachten, werden Sie bemerken, dass die beiden Herren keine Schutzkleidung, Atemschutz oder Schutzbrille tragen. Auch die Arbeiterinnen auf Abb. 32 tragen keine persönliche Schutzausrüstung. Die Sterblichkeits- und Berufsunfähigkeitsrate in den Rüstungsbetrieben war bis Mitte des 20. Jh. extrem hoch. Wenn es Schutzmaßnahmen gab, dann dienten diese vornehmlich der Sicherung der Betriebsanlagen. Bei einer Explosion bestand vielmehr die Sorge um den teuren Wiederaufbau der Anlagen als um die leicht zu ersetzenden Humanressourcen. Diese Anlagen waren nicht billig. Sollte sich eine Explosion ereignen, dann war viel Kapital für den Wiederaufbau notwendig.

In den 20er Jahren des 20. Jh. erkannte man einen direkten Zusammenhang zwischen der Dichte und der Detonationsgeschwindigkeit eines Stoffes. Diese Erkenntnis ließ Forscher auf der ganzen Welt nach Sprengstoffen mit möglichst hoher Dichte und ausgeglichener Sauerstoffbilanz1 suchen. Dieser Prozess ist auch am heutigen Tage noch nicht abgeschlossen.

Hexanitroisowurtzitan, Octanitrocuban oder polymerer Stickstoff sind die Zauberworte von heute und werden sicher nicht die letzten entdeckten Sprengstoffe bleiben. Dafür sorgen auch die Großmachtbestrebungen einiger Länder.

Was einst als Lustfeuerwerk begann, ist heute zu einer milliardenschweren Tötungsmaschinerie erwachsen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Sprengstoffe von zukünftigen Generationen verantwortungsvoller eingesetzt werden als heute.

Viele Kriege wurden/werden aus Überzeugungen geführt, dabei sind Überzeugungen die größten Feinde der Wahrheit.

1 Sauerstoffbilanz ist ein Kennwert. Ist der Wert negativ benötigt der Sprengstoff  Sauerstoff aus der Luft zur vollständigen Detonation. Bei positivem Wert enthält der Sprengstoff mehr Sauerstoff, als benötigt wird.

Geschichte der Sprengstoffe


 

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