Abb. 20 - Henri Braconnot Abb. 21 - Théophile-Jules PelouzeHenri Braconnot (1780–1855) ließ 1832 auf Holzspäne eine Mischung aus Salpetersäure und Schwefelsäure (Nitriersäure) einwirken. Er erhielt einen Stoff, der sehr leicht entflammbar ist. Braconnot nannte es "Xyloidin". Es handelt sich dabei um ein Stärkenitrat mit einem Stickstoffgehalt von bis zu 13 %. Die Detonationsgeschwindigkeit wird mit 4970 m/s angegeben.

Auch der französische Chemiker Théophile-Jules Pelouze (1807–1867) befasste sich 1838 mit dieser Substanz. Allerdings verwendete er Papier. Das daraus entstandene Produkt nannte er Pyroxylin.
Quellen: [37], [38], [39], [40], [41]

 

6.1 Schießbaumwolle

Abb. 22 - Strukturformel Cellulosenitrat

  • Herstellung: Nitrierung von Baumwolle
  • Verwendung: Treibladung, Zelluloid, Pyrotechnik
  • Detonationsgeschwindigkeit: 6300 m/s
  • Dichte: 1.3–1.7 g/cm3
  • Schlagempfindlichkeit: 3 Joule

Abb. 23 - Christian Friedrich Schönbein1846 beschäftigte sich Christian Friedrich Schönbein (1799–1868) mit Xyloidin und Pyroxylin. Schönbein setzte andere organische Stoffe mit Nitriersäure um. Bei der Verwendung von Baumwolle erhielt Schönbein einen watteähnlichen Stoff, der äußerst leicht entflammbar ist, und nannte ihn Schießbaumwolle, welche auch gerne als Nitrocellulose bezeichnet wird. Diese Bezeichnung ist aber falsch, da es sich nicht um eine Nitroverbindung, sondern um eine Nitratverbindung handelt. Wird Schießbaumwolle angezündet so deflagriert sie mit einer Geschwindigkeit von 700–900 m/s. Wird sie jedoch gepresst und initialgezündet erreicht man eine Detonationsgeschwindigkeit von 6300 m/s. Nitrocellulose ist Hauptbestandteil vieler Treibladungspulver für Jagd- und Militärmunition. Um das Abbrandverhalten zu beeinflussen, wird das Treibladungspulver unterschiedlich geformt.
Quellen: [42], [43], [44], [45]

JagdmunitionAbb. 25 - Pulver der linken PatroneAbb. 26 - Pulver der rechten PatroneAbb. 27 - Verschiedene Pulverformen

 

6.2 Nitroglycerin und das wenig noble Dynamit

Auch der Name Nitroglycerin ist falsch, da es sich hier ebenfalls um ein Nitrat handelt. Der richtige Name lautet also Glycerintrinitrat (Propantrioltrinitrat).

Abb. 28 - Strukturformel Nitroglycerin

  • Herstellung: Nitrierung von Glycerin
  • Verwendung: Sprengstoff, Dynamitproduktion, Medizin
  • Detonationsgeschwindigkeit: 7600 m/s
  • Dichte: 1.599 g/cm3
  • Schlagempfindlichkeit: 0.2 Joule

Abb. 29 - Ascanio Sobrero 1783 verseifte Carl Wilhelm Scheele (1742–1786) Olivenöl mit Bleioxid. Durch diese Prozedur erhielt er eine ölige und süß schmeckende Flüssigkeit, diese nannte er »Ölsüß«. Der französische Chemiker Michel Eugène Chevreul (1786–1889) führte später den Namen Glycerin für das »Ölsüß« ein.

Pelouze berichtete seinem ehemaligen Assistenten, von 1840–1842, Ascanio Sobrero (1812–1888), einem Arzt und Chemiker aus Turin, von der Schießbaumwolle und den anderen neuen Stoffen. Sobrero experimentierte am Anfang mit Schießbaumwolle, aber er untersuchte auch andere Substanzen für die Umsetzung mit Nitriersäure. So versetzte er 1847 eine Mischung aus Schwefelsäure und Kaliumnitrat mit Glycerin. Sobrero erhielt daraus eine leicht milchige Flüssigkeit, die mit Wasser nicht mischbar ist. Als er einige Tropfen in einem Glas erhitzte, kam es zu einer heftigen Explosion. Daraufhin nannte er seine Entdeckung "piroglicerina (pyrophores Glycerin)". Bei einer späteren Explosion von Nitroglycerin wurde Sobreros Gesicht für immer entstellt.

Abb. 30 - Alfred Bernhard Nobel1850 schickte der schwedische Waffenfabrikant Immanuel Nobel (1801–1872) seinen Sohn Alfred auf eine dreijährige Studienreise durch Amerika und Europa. Alfred Nobel (1833–1896) arbeitete kurzzeitig bei Théophile-Jules Pelouze als Assistent. Dort hörte Alfred Nobel womöglich zum ersten Mal von Nitroglycerin. Gesichert ist aber, dass ihnen der russische Chemiker Nikolaj Nikolaevic Zinin (1812–1880) und der Pharmakologe Jurij Trapp 1853 vom Nitroglycerin berichteten. Daraufhin begannen er und sein Vater, mit Nitroglycerin zu arbeiten. Eine kontrollierte Zündung des Nitroglycerins blieb auch den Nobels vorerst verwehrt.

Im wahrsten Sinne des Wortes hatte Alfred Nobel eine zündende Idee: Er verwendete eine mit Quecksilberfulminat gefüllte Kapsel, um das Nitroglycerin zur kontrollierten Explosion zu bringen. Die sogenannte Initialzündung war geboren. Diesen Initialzünder meldete Nobel am 15.07.1863 zum Patent an. Dies stellt wohl seine größte und bedeutendste Erfindung dar. Das Nitroglycerin schien "gezähmt" zu sein.

Abb. 31 - Produktionsstätten im Werk Krümmel um 1900Am 3.9.1864 kam es in einer Sprengstofffabrik von Alfred Nobel zu einer heftigen Explosion, bei der fünf Personen starben, darunter auch sein jüngerer Bruder Oscar-Emil Nobel.

Dieser Vorfall veranlasste Alfred Nobel, das Nitroglycerin ungefährlicher zu machen. Er probierte verschiedenste Bindemittel, u. a. Sägespäne, Holzmehl, Ziegelstaub etc.

Abb. 32 - Portionierung und FertigstellungAber erst die Verwendung von Kieselgur brachte 1866 den gewünschten Erfolg. Beim Verrühren von Nitroglycerin mit Kieselgur entsteht eine beliebig portionierbare pastöse Masse, die weder schlag-, stoß- oder reibungsempfindlich ist.

Wegen der kraftvollen Sprengwirkung nannte Alfred Nobel seinen Sprengstoff "Dynamit". Die Entdeckung der Sprenggelatine gelang Alfred Nobel 1875. Sprenggelatine besteht aus Nitroglycerin (92 %) und Schießbaumwolle
(8 %) und ist noch stärker als das Gur-Dynamit. Das Dynamit von heute besteht ausschließlich aus diesen gelatinierten Nitroglycerinprodukten.

Abb. 33 - DynamitDas Abfeuern einer Schusswaffe entwickelte, durch die Verwendung von Schwarzpulver, sehr viel Rauch. Ein Schlachtfeld ist durch diesen Qualm lange Zeit nicht überschaubar. Daher entwickelte Nobel aus der Sprenggelatine das rauchschwache Pulver "Ballistit", welches er 1887 patentieren ließ. Durch seine langsame Verbrennung eignet sich Ballistit hervorragend als Treibladungspulver für Munition. Es ermöglichte die Entwicklung von Maschinengewehren.
Quellen: [46], [47], [48], [49], [50], [51], [52]

 

 

6.3 Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) und ihre Salze (Pikrate)

Abb. 34 - Strukturformel Pikrinsäure

  • Herstellung (heute): Sulfonierung und anschließende Nitrierung von Phenol
  • Detonationsgeschwindigkeit: 7100 m/s
  • Dichte: 1.76 g/cm3
  • Schlagempfindlichkeit: 7.4 Joule

Abb. 35 - PikrinsäureUm 1650 ließ Johann Rudolph Glauber (1604–1670) konzentrierte Salpetersäure auf Schafwolle einwirken. Das Ergebnis war eine stark gelb gefärbte und bitter (pikros, griechisch: bitter) schmeckende saure Lösung. Glauber gab zur Neutralisation Pottasche hinzu, er hat damit als Erster ein Salz der Pikrinsäure hergestellt, das Kaliumpikrat. Eine alkoholische Kaliumpikrat-Lösung ("Tinctura nitri Glauberi") wurde bis weit ins 18. Jahrhundert in der Heilkunde eingesetzt.

1771 ließ Peter Woulfe (1727?–1803) Salpetersäure auf Indigo einwirken. Auch er erhielt eine gelbe Flüssigkeit, die in der Lage war, Seide und andere Textilien zu färben. Hausmann stellte 1788 erstmals gelbe Pikrinsäure her.

Der Chemiker Jean Joseph Welter (ca. 1763–1852) stellte 1799 durch Behandlung von Seide mit Salpetersäure erstmals reine Pikrinsäure her. Welter entdeckte auch das Kaliumpikrat durch Hitzeeinwirkung verpufft. Auch die Schlagempfindlichkeit von Kaliumpikrat blieb nicht lange unbemerkt. Man vermischte das Kaliumpikrat mit Salpeter und andren Stoffen. Diese Mischungen wurden in Hohlkugeln gefüllt, die beim Aufprall selbst ohne Zünder explodierten. Im amerikanischen Sezessionskrieg (1862–1865) kamen diese Geschosse in regen Gebrauch.

Die Pikrinsäure selbst galt als harmloser Farbstoff, man dachte, der Pikrinsäure fehle der Sauerstoff, um explosive Eigenschaften zu haben. Unter großem Aufsehen demonstrierte der französische Chemiker François Eugène Turpin (1848–1927) 1885 die Detonationsfähigkeit von Pikrinsäure durch Verwendung von Nobels Sprengkapseln.

Ab 1886 wurde Pikrinsäure unter verschiedenen Namen in der Militärtechnik verwendet:

  • Melinite (Frankreich, 1886)
  • Lyddit (England, 1888)
  • Schimose (Japan)
  • Granatfüllung 88 (Deutschland)
  • Ekrasit (Österreich)
  • Pertit (Italien)

Die auf den Schlachtfeldern verschossenen mit Pikrinsäure gefüllten Granaten brachten die Pikrinsäure nicht zur vollständigen Detonation. Unverbrauchte Pikrinsäure färbte die Haut der Soldaten knallgelb, man bezeichnete Sie daher als Kanarien oder Kanarienvögel.

Pikrinsäure reagiert mit Metallen zu sogenannten Pikraten. Gerade Schwermetallpikrate, wie Blei- oder Kupferpikrat, sind sehr schlag-, stoß- und reibungsempfindlich. Es kam daher sehr oft zu Rohrkrepierern, ungewollten Explosionen und spontan Detonationen. Diese Pikrate hatten die Pikrinsäure initialgezündet.

Innerhalb kürzester Zeit wurden sehr viele Explosionsunfälle verzeichnet:

  • 1887 Cornbrook bei Manchester
  • 1901 Griesheim bei Frankfurt a. M. in Deutschland
  • 1903 Woolwich (England)
  • 1917 Halifax (Kanada) u.a.

Um eine Reaktion der Pikrinsäure mit den Metallwänden zu unterbinden, wurden die Wandungen der Granaten verzinnt oder mit Lack bestrichen. Die Pikrinsäure sollte bald von einem nicht sauren und gut handhabbaren Stoff ersetzt werden: TNT
Quellen: [53], [54], [55], [56], [57]

 

6.4 TNT - 2,4,6-Trinitrotoluol

Abb. 36 - Strukturformel TNT

  • Herstellung: mehrfache Nitrierung von Toluol
  • Verwendung: Sprengstoff für Handgranaten und Bomben- bzw. Granatenfüllung
  • Detonationsgeschwindigkeit: 6900 m/s
  • Dichte: 1.64 g/cm3
  • Schlagempfindlichkeit: 15 Joule

Abb. 37 - 2,4,6-TrinitrotoluolJulius Bernhard Friedrich Adolph Wilbrand (1839–1906) führte 1863 eine mehrfache Nitrierung von Toluol durch. Dabei erhielt er hellgelbe, nadelförmige Kristalle, die zwischen 80–81 °C schmelzen. 1891 erfolgt die technische Herstellung durch Karl Häussermann (1853–1918) und das Militärversuchsamt Berlin erkennt die Tauglichkeit als Sprengstoff. Ab 1902 wurde TNT in Deutschland als Granatfüllung eingesetzt, bis es dann im 2. Weltkrieg weltweit in militärischer Munition eingesetzt wurde. Wegen seiner Giftigkeit wird TNT heute immer mehr von anderen Sprengstoffen verdrängt.
Quellen: [58], [59], [60], [61]

 

6.5 Nitropenta (Pentaerythrittetranitrat)

Abb. 38 - Strukturformel Nitropenta

  • Herstellung: Nitrierung von Pentaerythrit mit Salpetersäure (> 95 %)
  • Verwendung: Sprengschnüre, Plastiksprengstoff, Blitzschnüre, Treibladungspulver, Pyrotechnik
  • Detonationsgeschwindigkeit: 8400 m/s
  • Dichte: 1.77 g/cm3
  • Schlagempfindlichkeit: 3 Joule

 

Abb. 39 - Bernhard Christian Gottfried Tollens

Bernhard Tollens (1841–1918) entdeckte 1891 das Pentaerythrit. Nitropenta wird durch eine Nitrierung von Pentaerythrit mit hochkonzentrierter Salpetersäure gewonnen. Die Substanz wurde 1894 als Zusatz für rauchschwache Pulver vorgeschlagen. Nitropenta wird als Bestandteil fast aller Plastiksprengstoffe verwendet. Außerdem wird es als Füllung für Spreng- und Blitzschnüre in der Sprengtechnik beziehungsweise in der Pyrotechnik verwendet.
Quellen: [62], [63], [64], [65]

 

Abb. 40 - Plastiksprengstoff mit hohem Nitropenta-AnteilAbb. 41 - BlitzschnurAbb. 42 - Detonation der Blitzschnur (Abb. 41)

 

Geschichte der Sprengstoffe


 

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